Whitepaper zu Nachhaltigkeit im Gesundheitssektor
Forscher am Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) in Dresden zeigen in ihrem kürzlich veröffentlichten Whitepaper „ReMed“ (Recycling für eine nachhaltige Medizintechnik), wie der Recyclinganteil von Kunststoffen in Klinikabfällen erhöht werden kann. Basis für das Paper ist eine Umfrage zu aktuellen Entsorgungsprozessen und Möglichkeiten für mehr Recycling bei Kunststoffen, an der 27 sächsische Klinken teilnahmen.
Auch für den Gesundheitssektor gilt: Klimaneutralität und geschlossene Stoffkreisläufe sollen bis zur Mitte unseres Jahrhunderts erreicht sein. Eine große Herausforderung, denn derzeit entstehen jährlich Millionen Tonnen Abfall in deutschen Krankenhäusern. Das meiste davon sind Einwegprodukte aus Kunststoff, die verbrannt werden. Forscher am Fraunhofer IWU in Dresden haben Lösungen entwickelt, um die Recyclingquote bei Kunststoffprodukten im Gesundheitssektor schrittweise anzuheben – ohne das Personal mit Mehrarbeit zu belasten. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf Abfällen in Kliniken.
Die Fraunhofer-Forscher präsentieren in ihrem Whitepaper „ReMed“ (Recyling für eine nachhaltige Medizintechnik) Strategien für eine kurz-, mittel- und langfristige Erhöhung des Recyclinganteils von Kunststoffen aus Medizinprodukten. Dabei sind einige Lösungen schnell und mit relativ einfachen Mitteln umzusetzen, für andere, wie rechtliche Änderungen, wird mehr Zeit benötigt. Das Paper basiert auf den Ergebnissen einer Umfrage zu aktuellen Entsorgungsprozessen und Möglichkeiten für mehr Recycling bei Kunststoffen, an der insgesamt 27 sächsische Klinken teilnahmen.
Vorschläge im Praxis-Check
Abschließend unterzog das Team seine Vorschläge zu Sammlung, Trennung, Aufbereitung, Verwertung und Recycling der Kunststoffabfälle einem Realitätscheck durch Expertinnen des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden. Denn im Klinikalltag darf der nachhaltige Umgang mit Einwegmedizinprodukten weder viel Fläche beanspruchen – dies gilt ganz besonders für die Operationssäle –, noch zu nennenswerter Mehrarbeit führen.
Abfallsortierung und Einsatz biobasierter Kunststoffe
Unsicherheit bei der Sortierung der Abfälle führt häufig zu Fehlern bei der Zuordnung, eigentlich unbedenkliche Kunststoffe werden so dem Recyclingkreislauf entzogen und „vorsorglich“ verbrannt. Abhilfe könnte ein einheitliches, vereinfachtes und einrichtungsübergreifendes System für die Kennzeichnung der Abfallbehälter schaffen. Farben oder verständliche Symbole würden die Wahl des richtigen Behälters erleichtern.
Für einen geringeren CO2-Fußabdruck sollte die Beimischung biobasierter Kunststoffe bei der Aufbereitung von Mischrezyklaten stärker in Betracht gezogen werden, unterstreicht das IWU-Team. Da sie aus Stärke und zuckerhaltigen Pflanzen gewonnen werden, gelten Biokunststoff-Compounds als Kohlenstoffsenke – bei der Müllverbrennung setzen sie kaum fossilen Kohlenstoff frei. Werden außerdem Materialien aus einer Kunststoffgruppe gesondert gesammelt, entstehen weniger Mischrezyklate, was die Herstellung neuer, hochwertiger Kunststoffe erleichtert. Dazu müsste zunächst lediglich ein weiterer Abfallbehälter in den Kliniken aufgestellt werden.
Automatisierte Trennverfahren und Rückführung der Kunststoffe in den Kreislauf
Medizinprodukte werden nach besonders hohen Qualitätsstandards gefertigt. Ein Zwischenziel auf dem Weg zum geschlossenen Materialkreislauf innerhalb des Medizinsektors sollte sein, das aufbereitete Material aus benutzten Gütern anderen Branchen zugänglich zu machen, die weniger stark reguliert sind.
Langfristig könnten automatisierte Trennverfahren für weitere Kunststoffe oder Kunststoffgruppen erarbeitet werden. Neu entwickelte Anlagen sollten dann in einer geschlossenen Prozesskette Abfall in seine Bestandteile trennen und dekontaminieren. Auf dem Klinikgelände installiert, würden diese Anlagen eine händische Sortierung des Abfalls ersetzen. Dem Weiterverkauf der aus dem Prozess generierten Rezyklate stünde nichts im Wege. Allerdings setzt dieser Ansatz weitere Werkstoffforschung voraus.
Die Rückführung gebrauchter Kunststoffe in den Werkstoffkreislauf ist auch mittels rohstofflicher (chemischer) Recyclingverfahren möglich. Dabei wird der Kunststoff in seine einzelnen Bestandteile zerlegt, wodurch die Monomere bzw. Basischemikalien für eine neuerliche Produktion von Kunststoffen zur Verfügung stehen. Voraussetzung für die Weiterverarbeitung solcher Materialien zu Medizinprodukten ist jedoch eine erneute Zulassung. Diese künftig zu erleichtern, ist ein wichtiger Schritt in Richtung geschlossener Wertstoffkreisläufe.
Anpassung des rechtlichen Rahmens
Auch für viele weitere Vorschläge gilt: Soll die Recyclingquote bei Einweg-Kunststoffen im Medizinsektor deutlich steigen, muss der rechtliche Rahmen angepasst werden. Denn hoher Infektionsschutz, nach heutiger Rechtslage ein „Treiber“ für Plastikmüll in Kliniken, muss nicht in Widerspruch zu einem ressourcenschonenden Umgang mit Kunststoffprodukten stehen.
Ideen mit Potential
Derzeit wird die Umsetzumg der Ideen zum Teil durch geltende Richtlinien und Vorschriften eingeschränkt. Weitere Pilot- und Forschungsprojekte sind notwendig, um die Umsetzbarkeit und Machbarkeit in dafür notwendigen, veränderten Abläufen und der Anlagentechnik zu belegen, bevor diese Neuerungen tatsächlich in den Alltag Einzug halten können. Dafür bedarf es dann auch einer Anpassung der Vorschriften. Aber zumindest haben die Ideen das Potential, zu Klimaneutralität und geschlossenen Stoffkreisläufen Im Gesundheitssektor beizutragen.
Das Whitepaper kann hier heruntergeladen werden.